Brief 4

Liebes Paar,

„Leicht-sinnlich“ – was für ein leicht-sinniges Wort. Es geht um Sinnlichkeit, Zärtlichkeit, Sexualität in der Paarbeziehung – aber ist das immer „leicht“? Fällt es euch leicht, in eurer Beziehung darüber zu sprechen, was ihr euch an Sinnlichkeit, an Zärtlichkeit wünscht, was euch gefällt, was ihr gerne mehr oder auch weniger hättet oder mal ausprobieren möchtet?

Es fängt schon damit an, dass jeder Mensch individuelle Bedürfnisse hat, auch sexuelle. Diese stimmen nicht automatisch überein, weil zwei Menschen sich lieben. Also liegt es nahe, sich darüber auszutauschen und selbst zu entdecken, was ich an körperlicher Zweisamkeit mag, was mir gefällt und was nicht. Das sexuelle Erleben ist durchaus Stimmungen und Veränderungen unterworfen. Das bedeutet, dass der Austausch über unsere Formen der Zweisamkeit nicht nur einmalig, sondern immer wieder wichtig und spannend ist. Er kann sogar selbst sinnliche Erfahrung sein.

Die Liebe hat unterschiedliche Ausdrucksweisen, die der Paartherapeut Gary Chapman Sprachen nennt. Die Zärtlichkeit ist eine davon. Nicht jede:r beherrscht jede Sprache gleich gut. So kann es zu Missverständnissen kommen, die für Euer Miteinander als Paar eine Herausforderung sein können.

Leicht-Sinnliche Sprachen

Sinnlichkeit, Zärtlichkeit meinen aber nicht nur die sexuelle Begegnung. Mindestens genauso wichtig ist die Zärtlichkeit im Alltag. Blicke, Gesten, Worte, Berührungen, Aufmerksamkeiten können Ausdruck meiner Zuneigung sein, meine Liebe ausdrücken, mit Sinnlichkeit den Alltag bereichern. Dabei gilt immer, dass „Liebe respektvolle Zärtlichkeit ist“ (AL 283), was bedeutet, dass sie meine:n Partner:in nicht überfordert, bedrängt oder vereinnahmt.

Ob wir wollen oder nicht, uns beeinflussen auch Bilder von außen, wie wir Körperlichkeit wahrnehmen. Wie wurde in meiner Ursprungsfamilie mit Körperlichkeit umgegangen? Wie habe ich als Heranwachsende:r Sexualität erfahren? Wie sehr beeinflussen mich angeblich „normale“ Begegnungen von Paaren in Filmen, die doch allzu oft Stereotype von „perfektem“ Sex „perfekter“ Körper vermitteln – und die doch meilenweit von jeder Realität entfernt sind?

Dabei gibt es keine allgemeingültigen Normen für das Erleben von Gefühlen, schon gar nicht im Bereich der Sexualität. Sich in seiner individuellen Körperlichkeit und Gefühlswelt heimisch und wohl zu fühlen, ist ein guter Anfang für positive Sinnlichkeitserfahrungen in der Partnerschaft.

Genug geredet, kommen wir zu den Anregungen für den Alltag. Viele Freude beim Ausprobieren!

Georg Kalkum

Impuls: Leibritual

| Leib-Ritual
„Einander mit Fingerspitzen begegnen“

Beide erinnern einander staunend-dankbar, dass wir keinen Leib haben, sondern Leib sind. Wir feiern miteinander dieses Gottesgeschenk, wenn wir uns konkret mit den Fingerspitzen begegnen.

Der Partner legt sich mit dem Rücken nackt auf eine Matte/Wolldecke auf den Boden. Er schließt seine Augen und nimmt sein Einatmen und Ausatmen wahr. Bei jedem Ausatmen legt er die Auflageflächen seines Körpers noch bewusster auf den Boden als Ausdruck des Abgebens von Druck, von Belastungen und als Erinnerung immer schon getragen zu sein.

Die Partnerin setzt sich, auch nackt, bequem neben den liegenden Partner. Sie achtet auch auf ihren Atemfluss. Sie sorgt für sich und ihr Wohlbefinden, denn nur so kann sie dem Partner entspannt begegnen.

Die Gebende berührt den Partner ganz, ganz langsam, im Zeitlupentempo, von Kopf bis Fuß mit ihren Fingerspitzen. Zu Beginn legt sie beide Hände für einen längeren Moment auf den Kopf des Partners, danach beginnt sie ihn mit ihren Fingerspitzen sanft zu berühren, wie eine Brise eines leichten Sommerwindes: Sie beginnt bei der Stirn und gleitet sanft und locker über das Gesicht, den Hals, die Schultern, die Arme, die Brust, die Herzgegend, den Bauch, das Geschlechtsorgan, die Oberschenkel, die Knie, die Unterschenkel, die Füße.

Als Ausklang legt sie die Hände auf das Herz des Partners und spricht dem Partner ein Segenswort zu, z.B.: „Dein Leib ist ein Kunstwerk Gottes.“ Oder ein Wort der Freude oder Dankbarkeit.

Danach wird gewechselt. Zum Abschluss tauschen sich die Partner aus, was gut tut, was ungewohnt, unangenehm ist, was berührend nachwirkt.

Abgewandelt aus Pierre Stutz - Deine Küsse verzaubern mich
© Pierre Stutz | www.pierrestutz.ch

Impuls: Gesichtsmassage

| Alternative zum Leib-Ritual
Gesichtsmassage – den Körper erspüren und erspüren lassen

Findet eine bequeme Position, in der eine Gesichtsmassage entspannt möglich ist. Die Empfangende schließt die Augen, der Gebende wärmt die Hände vor, zum Beispiel durch Aneinanderreiben , benetzt sie mit ein wenig Körperöl und beginnt dann mit einer Kontaktaufnahme durch ein leichtes Streichen über das ganze Gesicht. Dabei die ganzen Handinnenflächen benutzen. Im Anschluss ganz, ganz sanft und vorsichtig die Finger durch die einzelnen Gesichtspartien führen:

  • Leichte Kreisbewegungen mit den beiden Zeige- bzw. Mittelfingern zwischen der Stirn und den Augenbrauen.
  • Kreisende Massage der Nasenwurzel, ganz vorsichtig von der Nase zu den Augen hin.
  • Bearbeiten der Augenbrauen mit den Fingerspitzen.
  • Massieren vom äußeren Rand der Augenbrauen abwärts zu den Schläfen.
  • Massage des Nasenrückens.
  • Grübchen zwischen Nase und Lippen.
  • Nasenflügel bis zu den Mundwinkeln.
  • Mundwinkel bis zum Kinngrübchen.

Die Massage wird beendet mit einem leichten Streichen über das ganze Gesicht, vom Kinn aus hoch über den Schädel und die Haare. Danach tauschen.

Erzählt euch von euren Empfindungen.

Unsere Haut

Unsere Haut berührt sich zur intimen Sinnlichkeit
unsere Haut weckt unseren Wunsch nach Dasein
unsere Haut stillt unsere Sehnsucht nach Geborgenheit

Unsere Haut bewegt unser Seelenfünklein
unsere Haut stimmt unsere Lebensmelodie
an unsere Haut lässt uns präsent-selbstvergessen sein

Unsere Haut ist voller Lebenskraft
voller Verletzlichkeit
voller Lust
sie legt unsere Sehnsucht
nach Ewigkeit frei

Pierre Stutz


Erst später zur Aktion dazu gestoßen? Hier sind die bisherigen Briefe: Brief 1 | Brief 2 | Brief 3

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